Sonntag, 15. April 2012

Generation Y - Profiteure des neuen Booms?

Der Spiegel berichtet in seiner Online-Ausgabe über die Millennials bzw. die Generation Internet.

Ein spannender Bericht und sicherlich ein Anfang für eine umfassendere Diskussion über die Digital Natives.h

Hier Auszüge des Textes:

Qualifiziert, selbstbewusst, extrem anspruchsvoll - junge Berufsanfänger ändern Kultur und Alltag in den Unternehmen. Was treibt die Nachwuchskräfte an, was ist ihnen wichtig? Und wo wollen sie am liebsten arbeiten? Ein Blick auf die Generation des schnellen Aufstiegs.

Gegen Ende des Bewerbungsgesprächs hat Wolfgang Pfleghaar noch ein Anliegen. Und zwar die Sache mit dem Privatleben. "Ich bin gern bereit, bis 21 oder 22 Uhr zu arbeiten, wenn das Projekt es erfordert", eröffnet er seinem verdutzten Gegenüber, "aber ich mache das sicher nicht jeden Tag." Freunde, Sport, Spaziergänge, das müsse weiter drin sein.

Sein künftiger Chef bei Daimler gratuliert ihm, dass er das Thema so offen anspricht, preist die flexiblen Arbeitszeiten im Konzern und gibt ihm den Job. Was sollte er sonst tun? Mit seinen grünblauen Augen und dem kalifornischen Lächeln kann man sich Pfleghaar auf einem Surfbrett genauso gut vorstellen wie im Businessanzug.

Der Wirtschaftsingenieur wirkt tiefenentspannt, und er hat Grund dazu: Sein Diplom hat er mit der Note 1,6 gemacht, in Neuseeland studiert, zwei Praktika in Japan absolviert und die Abschlussarbeit über regenerative Energien und Elektromobilität geschrieben. 15 Bewerbungen hat Pfleghaar verschickt, 15-mal schaffte er es bis zur Gesprächsrunde. Eine Handvoll Jobangebote renommierter Unternehmen, erzählt er, landete schließlich auf seinem Tisch.

Pfleghaar entscheidet sich für Daimler, weil seine Bewerbung schnell und für ihn transparent betreut wurde. Das Gehalt stimmt, die internationale Ausrichtung auch, und der Job im Entwicklungscontrolling Trucks klingt so spannend, wie er sich das vorgestellt hatte. "Meine Wünsche für den ersten Job hatte ich mir genau überlegt, und bei Daimler hat es eben am besten gepasst."

"Generation Y": Wählerisch wie eine Diva beim Dorftanztee

So klingt es, wenn eine Generation die Bühne betritt, die die Macht der Demografie hinter sich weiß. Die global orientiert ist, über Facebook, Twitter und iPhone bestens vernetzt und als erste Altersgruppe, die mit dem Internet aufgewachsen ist, technisch äußerst versiert. Die von den Unternehmen spannende Projekte, gute Gehälter, schnelle Aufstiegswege erwartet, für die Arbeit und Karriere aber gleichzeitig nicht allein selig machend sind. Vorhang auf für die "Generation Y"!

Geboren in den Achtzigern und Neunzigern, strömen die Ypsiloner seit einiger Zeit in die Unternehmen, wo sie die bislang kulturprägenden Babyboomer bald ablösen werden. In einigen Jahren werden sie weltweit jeden zweiten Arbeitnehmer stellen. "Dies ist die anspruchsvollste und selbstbewussteste Generation seit Langem", sagt Anders Parment von der Stockholm University School of Business, der ein Buch über die Ypsiloner geschrieben hat. "Sie wird die Arbeitskultur in den Unternehmen radikal umkrempeln."

Doch noch ist längst nicht allen Firmen bewusst, dass sich ihre Prozesse, ihre Kultur und ihre Werte ändern müssen, wenn sie den Kampf um die talentierten Jungen gewinnen wollen. Noch weniger wissen sie, wie sie die Nachwuchskräfte gewinnbringend einsetzen können.

Die Generation Y ist wählerisch wie eine Diva beim Dorftanztee. Der Aufbau einer Firma zur attraktiven Arbeitgebermarke, das sogenannte Employer Branding, wird sich wandeln müssen von einem unterhaltsamen Experimentierfeld zum vielleicht wichtigsten Wettbewerbsfaktor. Das Ranking der "Besten Arbeitgeber", für welches das Berliner Beratungsinstitut Trendence rund 23.000 examensnahe Studierende der Wirtschafts- und Ingenieurwissenschaften befragt hat und dessen Ergebnisse das manager magazin exklusiv veröffentlicht, zeigt dies schon jetzt.

Auf den ersten Blick ist alles wie immer: Auf den vorderen Plätzen dominieren die automobilen Platzhirsche wie Audi, BMW oder Porsche (siehe Tabellen). Der Sprengstoff verbirgt sich in der langfristigen Entwicklung, in Kriterien, nach denen die Ypsiloner urteilen, die in den Unternehmen jedoch nur langsam Einzug halten: Seit 2006 ist der Anteil der jungen Betriebswirte, die in der Umfrage Work-Life-Balance als wichtigen Faktor bei der Arbeitgeberwahl nennen, von 38,6 auf mehr als 50 Prozent gestiegen.

"Leute werden für Ergebnisse eingestellt - nicht für Office Time"

Den Auftritt als rare Pretiose auf dem Arbeitsmarkt können sich daher längst nicht alle Ypsiloner erlauben, sondern nur die, die wirklich knapp und begehrt sind. Ingenieure etwa oder top ausgebildete Betriebswirte. Für den Bachelor in Kommunikationswissenschaften bleibt der Arbeitsmarkt eng. "Es könnte sich eine Zweiklassengesellschaft unter den Hochschulabgängern herausbilden", meint Kienbaum-Mann Drosten: "Die einen im War for Talent hochumworben, die anderen mit mittelmäßigen Einstiegschancen wie eh und je."

Für die Unternehmen allerdings macht das die Situation kaum leichter. Sie stehen vor der unangenehmen Aufgabe, sich der gesamten Generation Y möglichst attraktiv zu präsentieren, obwohl sie nur an einem Teil der Millennials ernsthaft interessiert sind. "In den nächsten Jahren ist die größte Herausforderung im Recruiting noch nicht, überhaupt Bewerber zu bekommen", sagt Trendence-Geschäftsführer Holger Koch. "Sondern den interessanten Teil möglichst einfach und kostengünstig herauszufiltern."

An dem Ort, der den Ansprüchen der Millennials wie vielleicht kein zweiter in Deutschland gerecht wird, stehen Lavalampen im Dutzend herum, Getränke und Snacks sind gratis, freitagnachmittags gibt es ein munter-besinnliches TGIF-Event ("Thank God, it's Friday!"), die Kantine kocht bio, der Strom kommt aus regenerativen Energien. In der Deutschland-Zentrale von Google könnten sie, bei wöchentlich 75.000 Bewerbungen weltweit, den Kampf um Talente entspannt betrachten. "Im Prinzip ist die Generation Y doch die Generation Google", sagt Deutschland-Personalchef Frank Kohl-Boas nur halb im Scherz.

Dennoch sucht die Firma dringend Nachwuchs, denn der Suchgigant kann sich hohe Ansprüche und penible Auswahl leisten. Spitzennoten, Posten als Klassensprecher oder Pfadfindergruppenleiter, dazu Leidenschaft sollten die Bewerber mitbringen, vor allem aber, was sie hier "Googliness" nennen: eine Begeisterung für Veränderung, Neugier und Flexibilität: "Wer hier arbeitet, sollte etwas erreichen statt einfach nur unterkommen wollen", sagt Kohl-Boas.

Bei Google und Bionade das Biotop gefunden

Im Gegenzug bietet Google nichts von dem, was in der Old Economy noch statusrelevant war: keine Dienstwagen, keine schicken Titel, keine Einzelbüros. Dafür Geld fürs Gymnastikstudio, und wer sein - selbstverständlich selbst verwaltetes - Reisebudget nicht ausschöpft, darf den Rest für einen guten Zweck spenden.

"Wenn man sich beruflich fürs Internet interessiert und auch großen Wert auf das Zwischenmenschliche und Spaß legt, ist Google die erste Wahl", sagt Eva Krüger. Die "Nooglerin", wie sie hier die Neueinsteigerinnen nennen, hat Medien- und Kommunikationswirtschaft studiert, anschließend bei Gruner + Jahr gearbeitet, seit August 2010 verkauft sie als Account-Managerin Google-Anzeigen in der Handelsbranche. Krüger mag die Abwechslung, Vielseitigkeit, das Gefühl, in einem immerwährenden Start-up zu arbeiten, auch wenn das längst ein Milliardenkonzern ist. Facebook, Xing, Twitter - alles ist am Arbeitsplatz erlaubt: "Die Leute werden hier für Ergebnisse eingestellt - und nicht für Office Time."

Bei Google, zwischen Spiderman-Plakaten, Bionade und Massagestühlen, scheint die Generation Y ihr Biotop gefunden zu haben: Hier bin ich Ypsilon, hier darf ich's sein. Kein verknöcherter Vorgesetzter nörgelt über Kollegen mit untertassengroßen Kopfhörern oder linst grimmig über die Halbbrille, wenn Eva Krüger mittags mal shoppen geht.

Vielleicht ist das die Zukunft. Die Babyboomer auf den Entscheidungsebenen traditioneller Konzerne können das ignorieren - oder beschließen, dass ihrer Firma im Kampf um Talente etwas mehr "Googliness" gut zu Gesicht stünde.

Nur eines sollten sie nicht tun, meint Buchautor Parment: sich über die forsch-fordernden neuen Mitarbeiter beklagen. Schließlich sind sie ihre Eltern - und haben sie zu dem gemacht, was sie heute sind.

Quelle: http://www.spiegel.de/karriere/berufsstart/0,1518,766883,00.html

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